Den Auftragsblock nach einem gemeinsamen Kaffeetrinken zu zücken, das reicht im Vertrieb schon lange nicht mehr aus. Die sogenannten „Order Taker“ im Außendienst sind in Zeiten von Corona endgültig überflüssig geworden.
Die Anforderungen an die Kompetenzen und Fähigkeiten der Verkäufer werden ständig größer. Die Luft wird dünner. In einer Analyse von Forrester wurde bereits im Jahr 2015 der Tod des Außendienstes vorausgesagt. Millionen von Vertriebsmitarbeitern würden bis 2020 im B2B ihren Job verlieren.
Ganz so hat sich das nicht bewahrheitet. Eines ist allerdings klar: Um weiterhin attraktiv für die Kunden und für das eigene Unternehmen zu bleiben, müssen Verkäufer und Verkäuferinnen heute mehr bieten. Dazu gehört auch ein genaues Verständnis davon, wie der Verkaufsprozess funktioniert.
Der Verkaufsprozess lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, beispielsweise nach methodischen Gesichtspunkten. Eine Sichtweise besteht darin, den Verkaufsprozess als Konfliktgespräch mit dem Kunden zu verstehen.
Was genau ist hier gemeint?
Wenn wir das Verkaufsgespräch aus Sicht des Kunden betrachten, dann ist der Kunde in vielerlei Hinsicht gefragt. Vor allem muss er eine ganze Reihe von Entscheidungen treffen:
Über das Angebot des Verkäufers: Ob es das richtige Angebot ist, und ob es vielleicht andere, bessere Angebote gibt? Der Kunde muss auch eine Entscheidung treffen, ob er das Angebot überhaupt braucht, oder ob er seine Anforderungen vielleicht ganz anders lösen kann? Ob er das Produkt oder die Lösung denn auch gerade jetzt braucht, oder vielleicht doch erst später?
Neben dem Konflikt über den Bedarf und das Angebot gibt es für den Kunden einen weiteren größeren Konflikt zu lösen. Auf seinem Weg zur Kaufentscheidung wird sich der Kunde nämlich früher oder später auch fragen, ob er die Kaufentscheidung denn wirklich verantworten kann? Mit all den Konsequenzen, die das für ihn haben wird, einschließlich dem Risiko einer Fehlentscheidung und dem, was das am Ende für ihn bedeutet.
Mitten in einer von Informationen überfluteten Welt, in der sich Angaben immer häufiger widersprechen, muss der Kunde herauszufinden, ob genau dieses Angebot das richtige für ihn ist. Genau deshalb suchen die Kunden bei ihren Anbietern vor allem nach Orientierung und nach Vertrauenswürdigkeit.
Das Verkaufsgespräch als eine Konfliktsituation für den Kunden zu verstehen ist eine Erkenntniss der Interaktionsstrategie. Nach diesen auch wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen geht es für den Verkäufer vor allem darum, die Konflikte, mit denen sich der Kunde im Verkaufsprozess auseinandersetzen muss, richtig zu erkennen und dann auch richtig damit umzugehen.
Und das heißt für den Verkäufer, dem Kunden für seine wesentlichen Konflikte Entscheidungshilfen anzubieten, zuerst einmal den Kunden in seinem Bedarfskonflikt zu begleiten und alle guten Gründe für die Kaufentscheidung aufzuzeigen.
1) Wenn der Kunde sich nämlich fragt: „Brauche ich das wirklich? Oder brauche ich das vielleicht doch nicht?“ geht es darum, ihm genau für diese Fragen die richtigen Antworten zu liefern:
Welche Chancen für ihn damit einhergehen. Wie er sein Risiko durch eine Kaufentscheidung minimieren kann. Wie er sich damit vom Wettbewerb unterscheidet. Dass andere Unternehmen und einige seiner Kollegen bereits festgestellt und bestätigt haben, dass der Kauf genau die richtige Entscheidung ist. Diese Liste lässt sich beliebig verlängern.
2) Im weiteren Verlauf stellt sich der Kunde diese Fragen: „Ist das denn auch wirklich genau das richtige Angebot für mich? Oder gibt es vielleicht andere Angebote, die noch besser sind?“
Um hier richtig zu reagieren, geht es darum gut zuzuhören und die Motive des Kunden genau herauszuarbeiten. Der Verkäufer muss verstehen, warum sein Angebot für genau diesen Kunden überhaupt interessant sein könnte. Welche ganz individuellen und konkreten Probleme und Anforderungen kann der Kunde damit lösen? Warum ist das so wichtig für ihn? Und was bedeutet das für ihn persönlich?
Erst mit diesem Wissen kann es dem Verkäufer gelingen, die Fragen des Kunden überzeugend zu adressieren und zu beantworten, und den individuellen Nutzen des Angebots herauszuarbeiten.
3) Vor dem Kaufabschluss fragt sich der Kunde dann noch einmal, zum letzten Mal: „Soll ich, soll ich nicht? Gerade jetzt? Ist das vernünftig und treffe ich damit die richtige Entscheidung?“
Diese Fragen zu beantworten, ist für den Kunden häufig alles andere als einfach.
Hier liegt es wieder am Verkäufer, dem Kunden gute Gründe zu liefern: Gerade jetzt zu kaufen, das ist genau die richtige Entscheidung! Diese letzte Entscheidung zu unterstützen und voranzutreiben, das gelingt am besten beispielsweise durch einen zeitlichen Wettbewerbsvorsprung vor anderen Kunden, durch ein befristetes Sonderangebot oder durch eine spezielle Verkaufsaktion.
Die psychologischen Hintergründe und das, was in den Köpfen der Kunden vor sich geht zu verstehen, ist von essenzieller Bedeutung für den Vertrieb. Die Vorteile des eigenen Produkts oder der eigenen Lösung zu kennen und mitzuteilen ist gut und schön. Dem Kunden die Arbeit zu überlassen, diese Vorteile auf die eigenen Anforderungen und Wünsche anzupassen, dafür braucht es keine Verkäufer. Das erledigt gutes Online-Marketing und Self-Service Angebote im Internet schon heute besser und auch schneller.
Ich bin davon überzeugt, die gut ausgebildeten Verkäufer und Verkäuferinnen, die genau wissen, was sie tun, und die für ihre Kunden einen echten Mehrwert schaffen, die werden von den Unternehmen auch morgen noch dringend gebraucht.